Montag, 27. April 2009

Die Führung


"Wir kommen jetzt in den geschlossenen Teil der Anstalt. Sehen Sie, alles ist in hellen freundlichen Farben gehalten. Die Fenster sind nicht vergittert, aber natürlich aus Panzerglas, um eine Flucht verhindern zu können. Gitterstäbe haben einen negativen Einfluß auf unsere Gäste. Wir nennen sie ‚Gäste‘, nicht Patienten. Jeder, der sich in unsere Obhut begibt, soll das Gefühl haben, respektiert und geachtet zu werden. Der Aufenthalt in diesem Hause dient einzig und allein dem Wohlbefinden unserer Gäste. Daher können sie beispielsweise beim gemeinsamen Mittagessen auch von einer Speisekarte wählen oder individuelle Kleidung tragen, solange ihr Zustand solche Maßnahmen zuläßt. Zufriedene Gäste sind pflegeleichte Gäste, unzufriedene Gäste machen viel Arbeit. Das ist unsere Philosophie. Zu Ihrer Linken sehen Sie nun die Zellentüren. Die Zellen sind sehr geräumig und voll möbliert. Allerdings haben Tische und Stühle keine Kanten, damit niemand verletzt werden kann. Tisch, Bett und Schrank sind fixiert, der Stuhl sitzt in einer Schiene, so dass er nur vor und zurück bewegt werden kann. Wie im Bundestag, im Reichstag – Sie verstehen? In Zelle 7 haben wir jemanden sitzen, der sich für einen Bankdirektor hält. Er will die ganze Zeit Aufträge für den Kauf und Verkauf von Unternehmensanteilen geben und verlangt Mitarbeiter, Telefone und so weiter. Kommen Sie nur weiter. Hier haben wir einen angeblichen Fraktionsvorsitzenden, Zelle 23. Ihm geht es um einen Krieg in einem Land, das völlig unbekannt ist. Aber er will die UNO kontaktiert wissen. Sehen Sie den gegenüberliegenden Block? Dort sitzen die Menschen, die sich für Experten halten, davon haben wir jede Menge. Und hier, in Zelle 88, eine gewisse Frau Merkel, die hält sich für die Bundeskanzlerin. Wahnsinn, oder? Manchmal frage ich mich: Wie wäre es eigentlich, wenn ich der Irre wäre und alle Insassen Recht hätten? Das wäre komisch, oder?"

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