Dienstag, 25. November 2014

Ein Porträt Berlins

„Wie wenig ist es doch, das den Menschen von den Tieren unterscheidet. Die Masse geht darüber hinweg; der Edle hält es fest.“ (Mong Dsi)
Ich kenne einen Kunstmaler in Berlin, der sein Geld hauptsächlich mit Porträts verdient. Er hat in vielen Ländern ausgestellt und seine abstrakten Werke sind sehr beeindruckend. Auf seinem Klingelschild steht unter dem Namen ganz selbstbewusst „Kunstmaler“. Aber sein eigentlicher Brotberuf ist die Porträtmalerei. Es kommen Ärzte und Apotheker, sicher auch anderes Geldvolk zu ihm, um sich porträtieren zu lassen. Ihre Anwesenheit erträgt er nicht lange. Er fotografiert sie und wirft das Bild als Dia auf die Leinwand, auf der er in zwei oder drei durchtrunkenen Nächten ein Ölbild malt. Fünftausend Euro pro Stück. Das finanziert ihm die Kunst für ein Vierteljahr. Es ist so erbärmlich. Die Auftraggeber halten sich für Kunstmäzene, aber warum, frage ich mich, kommen sie alle auf die Idee, das eigene Gesicht als Gegenstand der Darstellung zu wählen? Niemand hat je eine Landschaft oder eine bestimmte Szene in Auftrag gegeben. Immer nur: I C H. Das sagt viel über die Gegenwart und dieses Land.
Rio Reiser - Für immer und dich. http://www.youtube.com/watch?v=A7TQuBEw8OY

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