Dienstag, 11. August 2015

Das Gebiss der Schnecke

Es ist ja nicht so, dass es im beschaulichen Rheinland-Pfalz nicht auch mal einen Skandal gegeben hätte. Und natürlich handelte es sich um unser wichtigstes Produkt, den Wein. Die Peruaner bauen die Kokapflanze an, die Rheinland-Pfälzer die Weinrebe. Drogen gehen immer. Und wir schwören Stein und Bein, dass der Genuss unserer Drogen gut für die Gesundheit sei. Läuft. Praktisch wie von selbst. Bis auf 1985. Vor dreißig Jahren gab es den „Glykolwein-Skandal“, der bundesweit für Aufsehen sorgte.
Damals konnten wir Deutschen noch nicht die Vorteile des Klimawandels genießen und die Qualität des Weins war von Jahrgang zu Jahrgang höchst unterschiedlich. Manchmal war der Wein sauer. Und damals dachte der Laie noch: Je süßer der Wein, desto besser. Nein: desto Kopfschmerz. Aber das ist eine andere Geschichte. Was macht man also, wenn der Wein nicht süß genug ist? Man süßt ihn einfach nach. Mit Glykol. Die Österreicher, dieses deutschsprachige Balkanvolk, machten es vor und einige Weingüter in Rheinland-Pfalz kauften den alpinen Glykolwein, um damit ihre Produkte zu pantschen und aus ihrem Essig „Qualitätswein“ zu machen.
Berühmt wurde dabei die Firma Pieroth aus Burg Layen, nur wenige Kilometer vom idyllischen Weindorf Schweppenhausen entfernt, aus dem Sie diese Zeilen gerade erreichen. Nach dem Skandal wurde Pieroth, das als erstes das Direktmarketing von Wein in Deutschland einführte, in WIV Wein International AG umbenannt. Den Berlinern dürfte der Name Pieroth ein Begriff sein, denn Elmar Pieroth war von 1981 bis 1989 und von 1991 bis 1998 Senator in der Berliner Regierung. Fachgebiet: Wirtschaft und Finanzen. Zuvor saß er von 1969 bis 1981 für die CDU im deutschen Bundestag. Geschadet hat ihm der Skandal nicht, in den sein Familienunternehmen verwickelt war. Damals mussten Politiker wegen solcher Lappalien noch nicht zurücktreten.
Das Geschäft der hiesigen Winzer litt jahrelang unter dem Skandal, aber heute müssen wir uns um die Süße des Weins keine Sorgen mehr machen. Danke, liebe Autofahrer! Danke, liebe Industrie! Seit den späten achtziger Jahren ermöglicht der Klimawandel die Produktion von Weinen mit hohem Mostgewicht, gemessen in Grad Oechsle. Jeder Jahrgang der letzten Jahrzehnte war hervorragend. Das Weinanbaugebiet, das früher an der Mosel endete, konnte bis Großbritannien und Südschweden erweitert werden. Die Zeiten von Glykol und Pantscher-Pieroth, von Pantschen-Lama oder Sancho Pantscha, sind endgültig vorbei.
P.S.: „Schnecken besitzen kein Gebiss im herkömmlichen Sinn, verfügen aber über eine enorme Anzahl von Zähnen. Diese mikroskopisch kleinen Zähne sitzen auf dem zungenähnlichen Mundwerkzeug (Radula) der Schnecke und variieren in der Anzahl zwischen den verschiedenen Schneckenarten. Bei der Weinbergschnecke können es bis zu 40.000 sein.“ (http://www.unnuetzes.com/wissen/13286/schnecken/)
The Tremeloes - Silence is Golden. https://www.youtube.com/watch?v=n03g8nsaBro

1 Kommentar:

  1. Wenn sie jetzt noch den Wein anständig durchgären ließen gäbe es auch keinen Kopfschmerz. Franzosen, Spanier und Portugiesen können das auch.
    (Italienischen Lebensmitteln misstraue ich grundsätzlich)

    AntwortenLöschen