Montag, 28. Dezember 2015

Berliner Asche, Kapitel 4, Szene 3

Fröbel saß an seinem Stammtisch im „braunen Haus“ in der Weitlingstraße und hatte sein Samsung-Smartphone so eingestellt, dass seine Freundin Chantale und seine Kameraden Zoschke und Krautzberger mithören konnten. Keine Ahnung, wie der Anrufer seine Nummer heraus bekommen hatte, aber Fröbel gab munter Kontra: „Wir werden dich kriegen, du linke Zecke.“
„Willst du mir drohen, du kleine verpisste Arschmade?“ hörte man eine aggressive Stimme aus dem kleinen Lautsprecher.
„Pass auf …“
„Pass du mal auf, du Rohrkrepierer. Warum kommst du nicht vorbei und wir machen das unter uns aus? Aber dafür bist du ja zu feige. Ohne zehn Mann hinter dir traust du dich doch gar nicht zu kämpfen. Wenn du einen Arsch in der Hose hättest, würdest du jetzt hier vorbei kommen. Brauchst du meine Adresse? Kannst du haben. Aber du bist zu feige für einen Kampf. Du kannst nur schnattern und plappern wie ein altes Waschweib am Gartenzaun. Du bist zu feige, um hierher zu kommen. Du dämliches Stück Scheiße, du kleine Gestapo-Ratte …“
Dann drückte Fröbel das Gespräch weg. Es wurde keine Rufnummer angezeigt. Wahrscheinlich stand dieser Dorftrottel an einer der letzten Telefonzellen in Berlin, um seine albernen Drohungen loszuwerden.
„Wenn wir den in die Finger kriegen“, drohte Krautzberger ins Leere. Schweißperlen glänzten auf seiner hohen Stirn.
„Mach mal noch ne Runde, Hermann“, rief Zoschke und deutete auf die leeren Biergläser auf dem Tisch.
Hermann, der eigentlich Manfred hieß und aus der Uckermark kam, nickte nur kurz und zapfte das nächste Pils. Als NPD-Kader dachte er sich seinen Teil über Fröbel und seine Leute. Einfache Soldaten, Fußvolk, dazu noch schlecht ausgebildet. Der rechten Szene, vor allem den sogenannten Autonomen, fehlten die Offiziere, das Führungspersonal. Ohne Führung kann man den Krieg nicht gewinnen. Die Autonomen Nationalisten kopierten einfach den „schwarzen Block“ der linken Subkultur: schwarze Klamotten, Kapuzenjacken und Schirmmützen, Turnschuhe und Sonnenbrillen. Das waren Leute, die letztlich zu feige waren, ihre deutschnationale Gesinnung offen zu zeigen. Das war nicht seine Welt.
Als die nächste Runde Oettinger an den Tisch gebracht wurde, erzählte Fröbel gerade von einer Auseinandersetzung mit einem Nachbarn.
„Keine Angst vor Kampfhunden. Die merken das, vastehste? Du darfst dich nie angreifen lassen, du musst selbst angreifen. Volle Kanne in die Fresse treten. Die Nase ist ihr Schwachpunkt. Mit einem gezielten Tritt machst du jeden Rottweiler platt. Und wenn er liegt, schnappst du dir ein Hinterbein und ziehst ihn hoch. Wenn du ein bisschen rüttelst, löst sich ganz langsam der Knochen aus der Gelenkpfanne.“ Fröbel lachte gehässig und hob sein Glas.
Von draußen hörte man den Lärm von Trillerpfeifen und Sprechchöre, die immer näher kamen.
„Nazis raus! Nazis raus!“
Ein Jugendlicher mit ausrasiertem Nacken und blonden Strähnchen im dunkelbraunen Haar stand am Fenster und rief: „Die Kommunisten kommen!“
Erwartungsvoll blickte er in den Raum, doch keiner erhob sich.
Der Lärm wurde lauter.
„Die sollte man alle vergasen!“
„Nee, erst Arbeitslager und dann aufgesetzter Genickschuss!“
Aber es blieb bei den Sprüchen, während man draußen die Megaphonstimme eines Polizisten hörte: „Räumen Sie die Straße! Ich wiederhole: Räumen Sie die Straße! Gehen Sie auseinander oder wir setzen die Wasserwerfer ein!“

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