Montag, 28. Dezember 2015

Berliner Asche, Kapitel 4, Szene 5

Zwölf Uhr mittags. Die Stadt war auf dem Siedepunkt.
Kuhn, Schlosser, Streitwieser, Kirsch, Brauser, Merck – die ganze Linke war aufmarschiert. Sie trugen Helme gegen die Polizeiknüppel und hatten ihre Gesichter mit Tüchern vermummt.
„Die Bullenschweine schützen die Nazis. Das war ja klar“, sagte Streitwieser laut.
„Was hast du erwartet? So war es immer in Deutschland“, antwortete Merck durch den Lärm.
Hinter ihnen marschierten die Frauen, auch die schöne Ludmilla hatte sich in der Reihe eingehakt und rief fröhlich die Parolen.
Die erste Scheibe im „braunen Haus“ ging zu Bruch und ein Hagel Stahlkugeln traf die Polizisten, die in voller Kampfmontur mit Schild und Schutzweste aufmarschiert waren. Leider gab es hier keine Pflastersteine, die man für einen ordentlichen Straßenkampf ausgraben konnte. An den neuralgischen Punkten der Stadt, etwa auf dem Winterfeldt- und Nollendorfplatz in Schöneberg, wo es in den achtziger Jahren regelmäßig zu Straßenschlachten gekommen war, hatte man das alte Kopfsteinpflaster längst mit einer Asphaltschicht überzogen, um dem Mob keine Munition zu geben. Deswegen waren die Linken mit Zwillen und Stahlkugeln, wahlweise auch mit Muttern und Schrauben aus dem Baumarkt bewaffnet.
Dann startete die Polizei den Gegenangriff.
Blitzschnell rannten sie in alle Richtungen davon. Merck konnte mit seinen WG-Genossen rechtzeitig abhauen, aber Streitwieser, Brauser und Kuhn wurden erwischt. Die Polizisten drückten sie auf den Boden und schlugen mit ihren Knüppeln auf die Oberschenkel und die Ellbogen. Ein Beamter, an dessen Oberarm das Wappen des Bundesgrenzschutzes prangte, stand mit einem Fuß auf Brausers Kopf und blickte wütend auf den Demonstrationszug.
„Keine Gewalt“, riefen die Frauen im Chor.

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