Samstag, 2. Januar 2016

Blogstuff 16

Ob im Süden, ob im Norden
Wollte ich die Leute morden
Ob im Osten, ob im Westen
Dachte man, ich wär am besten
(Johnny Malta: Haarmann – das Gedicht)
Ich habe nichts gegen Ausländer, aber die Sachsen sind ein Grenzfall.
Ich glaube, die Sache mit den Walgesängen, die man auf CD kaufen kann, ist ein gigantischer Betrug. Wie sollte man denn diese riesigen Tiere in ein Tonstudio bekommen? Man hat ganz einfach menschliche Rülpser und Blähungen aufgezeichnet, die gaaanz langsam abgespielt werden.
Mail an einen Freund vom 23. Mai 2000: „Letztens steht ein Zappa-Verschnitt neben mir an der Würstchenbude, ordert ein paar Flachmänner und O-Saft, zahlt die vierzehn Mark mit einem Zwanziger und gibt den Rest als Trinkgeld. Dann hält er ein Bündel kleiner Scheine in die Höhe und meint: ‚Muss wohl ma‘ wieder‘n Bruch machen.‘ Berlin eben.“
Mail an einen Freund vom 8. Juni 2000: „Heute bin ich offiziell auf Kleidergröße 40 umgestiegen. Levi’s gibt’s nicht in dieser Größe – aber Mustang. Ich bin also unter die Arschloch-Jeans-Träger gegangen. Gestern im Mauerpark, beim Fußballspielen mit Kollegen, ist mir die letzte Jeans der genannten Marke, der ich zwanzig Jahre die Treue hielt, mit einem Schlag im Schritt gerissen und ich stand im Freien. Da ich noch einen Abendtermin an der Humboldt-Uni hatte, musste ich tatsächlich einen Kollegen um seine Hose bitten. Keiner hatte mehr als 34! Zum Glück war einer mit einer weiten Gummizughose da. Bei mir sah das eher wie Wurstpelle aus. *heul* Wenn du mich suchst, ich bin im Kühlschrank.“
Diese beiden Mails habe ich in einer alten Datei gefunden (Motto: Das Haus verliert nix). In einer anderen Mail habe ich erzählt, dass ein Freund im Herbst 2000 mit einer Kiste Federweißer im Flugzeug nach Berlin gekommen ist. Da man Federweißer-Flaschen bekanntlich nicht hinlegen darf (weil unverkorkt, weil Gärprozess, Sie verstehen? Federweißer => Vollmond => Mitternacht => Werwölfe => Schuhe … verstehen Sie jetzt – oder haben Sie noch nie Al Bundy gesehen?), hatte er die Kiste im Flieger zwischen den Füßen stehen. Ist das nicht unglaublich? Ein Märchen aus längst vergangener Zeit, ein Jahr vor Nine-Eleven, als man noch Flaschen mit ins Flugzeug nehmen durfte und nicht bis auf die Socken kontrolliert wurde („Könnten Sie bitte Ihre Schuhe ausziehen?“). Was für eine verrückte Welt: kein Terror, kein Euro und Sigmar Gabriel wurde wenig später zum Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs der SPD befördert (Frage: Gab es jemals außerhalb der Sozialdemokratie einen „Popdiskurs“?).
Hätten Sie’s gewusst? Die Texte für den Wetterbericht von Radio Flottikowski 111,11 werden seit Anfang des Monats von Johnny Malta geschrieben.
Tagalptraum: Joschka Fischer feixend mit Zigarre, Zylinder und Monokel in einem Werbespot für TTIP.
Lothar Irrgang ist der einzige Kunstmaler, die noch nie ein Bild gemalt hat. Er schreibt seit 1968 an seinem „Manifest zur Erneuerung der Avantgarde-Kunst“.
„Kannst du bis 49 zählen? Dann kannst du in meiner Lottoberatung arbeiten. Die Leute wissen ja gar nicht mehr, was sie tippen sollen. Und wenn du gut bist, machst du deine eigene Filiale auf und lebst von den Provisionen deiner Mitarbeiter. Interesse? Oder wie wäre es mit einem Job als Traumdeuter? Das hat Zukunft, dieser Markt ist noch gar nicht richtig erschlossen.“
Vor einem Jahr war das Attentat auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“. Was haben wir eigentlich gegen den Terror gemacht, als es noch kein Facebook gab, wo wir diensteifrig unser Profilfoto ändern können, um unsere Heuchelei, Pardon: Anteilnahme zu dokumentieren?
Was dürfen wir 2016 erwarten? Cher wird siebzig, zumindest Teile von ihr. Und Donald Trump wird Präsident der Vereinigten Staaten.
„Wahrlich, Paris ist auf dem besten Wege, ein elendes Chicago zu werden. Und ganz melancholisch geworden, sagte sich Monsieur Folantin immer wieder: Nutzen wir die Zeit, bis die Flegelei der Neuen Welt uns endgültig überrollt.“ (Joris-Karl Huysmans: Die Misere des Monsieur Folantin, 1882)
Silvia - Sauf und Stirb. https://www.youtube.com/watch?v=5Iye8gnGhzQ

4 Kommentare:

  1. Danke für das Huysmans-Zitat.
    Huysmans´ daraus folgender Ästhetizismus als Rückzugsposition gefällt mir einfach besser als Elvis´ Sentimentalität:
    "A dark and grey chicago morn, another little baby is born in the ghetto." Letzteres hätte sich aber auch gut als musikalisches Unterhaltungsangebot geeignet.

    Und außerdem: Welche Weitsicht!:-)

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    1. "Gegen den Strich" ist noch besser, ich lese im Augenblick, in Ermangelung akzeptabler Gegenwartsliteratur, wieder viele "alte" Bücher. Nach Huysmans gestern einige Kurzgeschichten von Yasunari Kawabata, heute habe ich "Nur wie ein Gast zur Nacht" von Samuel Josef Agnon angefangen.

      Wie ist die Lage in Ingelheim? Was liest du zur Zeit?

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  2. Ha, dachte ich mirs doch: ein ernsthafter Leser, der Kiezschreiber!
    Ich kann mit den zeitgenössischen Druckwarenerzeugnissen auch nicht recht was anfangen.Halt, das stimmt nicht ganz. Habe mich dieser Tage beim Lesen von Wolf Haas´"Knochenmann" erwischt. Als expatriierter Bayer tut mir sein sound wohl.
    Und den jiddischen sound des André Kaminski ("Nächstes Jahr in Jerusalem")kann ich auch goutieren und dem Unterhaltungsbedürfnis weiterempfehlen.
    Am Kawabata bin ich seinerzeit seufzend gescheitert. Bei den Japanern geht es immer gleich so ungemütlich existentiell zu.
    Dein Ingelheim wirst Du nicht wiedererkennen, wenn Du mal vorbeischaust. Da gibt es eine "Neue Mitte" als Dauerbaustelle von eng gestapelten Hutschachteln und anderen uninspirierten architektonischen Bausünden, die sich vorgnommen haben, jegliche Sonne aus ihrer Mitte zu verbannen.Klar, dass man bei dieser uglaublichen Verdichtung von grauem Beton einsichtsvoll auf das Grün von umständehalber eh nicht gedeihenden Bäumen verzichtet hat.

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    1. Wolf Haas habe ich auch fast komplett, der Stil ist einfach sagenhaft. Als säße man mit ihm in einem Wiener Beisl und er gibt mit süffisantem Lächeln eine Geschichte zum besten ...

      Kawabata fand ich nicht so prickelnd. Da hatte ich mir mehr versprochen, vor allem da ich als alter Haruki Murakami-Fan und Japan-Liebhaber ziemlich verwöhnt bin.

      In Ingelheim bin ich regelmäßig, weil meine Schwester und mein Neffe in der Nähe des Lochs wohnen, wo bald eine Stadthalle entstehen soll. Neue Mitte: Geld und Geschmacklosigkeit bilden erstaunlich oft ein Zwillingspaar ;o)))

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