Freitag, 29. Januar 2016

Neulich in der U-Bahn

„Ich steige in die U-Bahn und was sehe ich? Alle Menschen lesen einträchtig meinen neuen Roman. Ich zähle dreißig verkaufte Exemplare allein in diesem Waggon.“ (Johnny Malta: Wovon Künstler wirklich träumen)
Das silberne Funkeln ihrer Zahnbrücken täuschte mich nicht, als sie mich höhnisch anlächelte, denn ihr Blick erinnerte an einen ungefütterten Rottweiler. Mit Andouillette Pissaladière war nicht zu spaßen. Und tatsächlich bedachte sie mich jetzt mit einer Beleidigung, die als das kostbarste Juwel in der Krone der Vulgärpolemik gilt: dem Vergleich mit Hitler.
Nein, nein, nein. Schrecklicher Anfang. Eine Andouillette ist eine Gekrösewurst, und die Pissaladière ist eine Art Zwiebelkuchen aus Nizza. Ich sollte nicht hungrig schreiben. Kommen wir zur eigentlichen Geschichte:
Berliner U-Bahn. Er kam mit großer Eile in den Waggon und setzte sich genau mir gegenüber auf die Sitzbank. Der anthrazitfarbene Anzug hatte mindestens tausend Euro gekostet, dazu glänzende schwarze Lederschuhe, eine dunkelblaue Seidenkrawatte und goldene Manschettenknöpfe. Auf dem Schoß lag seine schwarze Aktentasche, aus der er jetzt einen in Leder gebundenen Zeitplaner holte. Dann tippte er kurz auf sein Smartphone und sagte so laut, dass es alle hören konnten. „Hmnja-hallo, Ahlerich von Glattstein am Apparat, buchen Sie doch für morgen Abend einen Flug nach Madrid. Und eine Suite im Hotel Villa Magna.“
„Wir haben’s alle gehört, großer Meister“, schrie ich ihn an. „Du bist der Allergrößte. Ja, der Allerallergrößte! Eine ganz wichtige Nummer. Du fliegst morgen nach Spanien und wahrscheinlich wächst dir Gold aus dem Arsch, du verpisster Wichtigtuer. Hat jetzt jeder in der U-Bahn mitgekriegt. Die absolute Nummer eins, mächtig dicker Fisch. Und dein Handy und dein Anzug sind vom Allerfeinsten. Wir haben es alle kapiert, Klugscheißer! Und jetzt hälst du endlich deine große Fresse, sonst wird es hier echt hässlich, verstanden?!“
Ich kann mich noch genau an diese Episode erinnern, denn ich habe die idyllische Szene aus dem modernen Reiseleben später auf der Leinwand festgehalten. Das Bild hängt heute im Louvre.
Nichts - Hallo Kartoffelsalat. https://www.youtube.com/watch?v=SJdXx8jco18

14 Kommentare:

  1. Du Punker!

    Auf die grossen Nummern mit 1000-Euro-Anzügen triffst Du nicht mehr in der U-Bahn, zu gefährlich bei dem Prekariat allerorten.

    Denen kann man in der Öffentlichkeit nichts mehr persönlich mitteilen. Systemrelevante Damen und Herren haben Limouisinen mit Chauffeuren in Teilzeit für 8.50/Std, reservierte Parkplätze in besonders gesicherten Tiefgaragenplätzen (hergestellt durch Sicherheitsfirmen, die sich aus Teilzeitkräften aus der Neonazi-Szene rekrutieren) haben und Unmengen Praktikanten bei all den Privateinkäufen, beim Kaffee holen, usw. der unwirtlichen Außenwelt aussetzen.

    Wir haben's einfach nur vergeigt....

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich gucke hier nur vom Schreibtisch auf ein Vogelhäuschen und denke mir Geschichten aus. Vielleicht spielt sie im Jahr 1999?

      Aber in Berlin siehst du gelegentlich noch Anzugträger in der U-Bahn. Ist dann aber eher C&A statt Armani.

      Löschen
    2. Der Berliner Nahverkehr ist ziemlich demokratisch; man kann viele Anzugträger sehen (wenn man ein bisschen nachdenkt, kommt man auch drauf, in welchen Linien am ehesten). Auch wenn der Anzug hier anscheinend ein Hassobjekt ist: ob jemand einen Anzug trägt oder nicht, sagt erst einmal nichts bis wenig über die Person aus. Ich habe in meinem Leben Leute aus den verschiedensten sozialen Kreisen kennen gelernt, zumindest nach meiner Erfahrung gibt es überall solche und solche. Reichtümer erwirbt man inzwischen auch nicht mehr durch Arbeit, sondern im Wesentlichen durch Erben.

      Löschen
    3. Ich bin nur ein einziges Mal in voller Kampfmontur (einziger Anzug, beste Schuhe + mein einziger Schlips) in Berlin U-Bahn gefahren, als ich im Springer-Hochhaus einem Vorstandsfritzen ein Projekt präsentiert habe (natürlich wurde es abgelehnt). Die Blicke waren durchaus gemischt: hauptsächlich egal, wohlwollend (junge Frauen!), abschätzig (Jugendliche).

      Löschen
    4. Auf die wohlwollenden Blicke musste ich bislang verzichten, auch wenn ich meistens im Anzug im ÖPNV bin. Einmal wurde mir wegen meiner Krawatte von einem Betrunkenen angedroht, mich abzustechen, aber auch das war nur einmal. Eine Sache, die ich an Berlin sehr schätze: ob man im Anzug, Pinguinkostüm, Dragqueenoutfit oder halb nackt unterwegs ist, ist eigentlich allen vollkommen egal.

      (Macht das eigentlich süchtig, wenn man sich diese unterschiedlichen Nicknames für die Kommentare zulegt? Ich habe ja erst das müde Trio Herr Ackerbau, Ackermann und Käptn Nuss, aber in mir wächst der Drang zur Vielfalt....)

      Löschen
    5. Solange das Etikett deines Wegbiers zur Krawatte passt, solltest du locker durch den Feierabendverkehr kommen ;o)

      Nicks: dreißig Jahre Borderline - ich sach dir ...

      Löschen
  2. Schreien Sie nicht die Männer an, lieber Matthias, sagen Sie es den Frauen, die jahrtausendelang nach genau diesen Merkmalen ihre Partner aussuchen.

    Lernt man an der Uni, auch wenn man nur Luft studiert, nicht wenigstens auch noch ein ganz klein wenig Naturwissenschaft? :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Was sagt uns die Naturwissenschaft über Männer und Frauen?

      Löschen
    2. Offenbar, dass bei den Steinzeitmenschen ein Anzug ein evolutionärer Vorteil war.

      Löschen
  3. Also bitte, zu Andoulliette und zu Pissaldiére passt hervorragend grüner Salat.
    Meister, sie leiden unter Chlorophyllmangel. Wenn sich das chronisch manifestiert führt das zwangsläufig zu Revolutionslitertatur.
    „Wehre den Anfängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind.“Ei

    Musik dazu: https://www.youtube.com/watch?v=c_kiJht_oJM

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Alter Finne, du bist ja schräg drauf. Hast du das "Chlorophyll" etwa geraucht?

      Hier mein musikalischer Gruß nach drüben (Hessen):
      https://www.youtube.com/watch?v=VOLT-1Gzdu8

      Löschen
  4. »Wir haben es alle kapiert, Klugscheißer! Und jetzt hälst du endlich deine große Fresse, sonst wird es hier echt hässlich, verstanden?!«

    Ist das jetzt Leserbetrollung oder, oder, oder doch nur..?

    Hält schon seine Fresse Anonym

    AntwortenLöschen
  5. Jetzt wird hier aber alles zu einer Posse, ich bin aber eine Pussy und stehe auf gut gekleidete Typen in der U-Bahn.........

    AntwortenLöschen