Donnerstag, 14. April 2016

Neulich im Supermarkt

„Sie sind Dichter? Mannometer! (…) Ich habe in der Rotonde einen Dichter kennengelernt. Er ist immer nur im Schlafwagen gereist, hat sich Morphium gespritzt und vom Geld der Frauen gelebt.“ (Raymond Queneau: Die kleinen Geschäfte des Monsieur Brabbant)
Es ist Samstagvormittag und ich bin mit meinem zwölfjährigen Sohn in einem riesigen Supermarkt im Gewerbegebiet unserer Kreisstadt.
Ich trage mein safrangelbes 4XL-Hoodie von Raw Blue und eine Ray Ban, damit jeder sehen kann, dass ich ein Westcoast-Rapper vom linken Rheinufer bin, Landkreis Bad Kreuznach („In the streets of B.K. / People get killed today“).
Mein Sohn trägt ein gebügeltes weißes Hemd, Cordhosen und Seitenscheitel, um mich zu provozieren.
Wir stehen vor dem Whiskyregal und ich nehme gerade eine Flasche Bourbon in die Hand, als mich eine gutaussehende junge Frau anspricht.
„Entschuldigung, kennen Sie sich hier aus?“
„Nein“, antworte ich verlegen. „Der Schnaps ist für meinen Jungen. Er hat ein ernsthaftes Alkoholproblem.“
Und zu meinem Sohn sage ich: „Wenn deine Mutter rauskriegt, dass du säufst, bekommen wir beide gewaltigen Ärger.“
Die Frau lacht und sagt: „Ich suche Aperol, aber ich weiß noch nicht mal, wie die Flasche aussieht.“
„Das Zeug ist rot. Warten Sie, ich helfe Ihnen.“
Wir gehen den Gang ab, mein Sohn schaut links und ich schaue rechts.
Die Frau folgt uns und sagt: „Das ist doch nicht nötig. Vielen Dank.“
Ich schaue sie an und erwidere: „In der Alkohol-Abteilung trifft man immer die nettesten Leute.“
Dann findet mein Sohn die gewünschte Flasche und zeigt auf sie.
Die Frau stellt die Flasche in den Einkaufswagen, bedankt sich lächelnd und geht.
Wenn ich nur zwanzig Jahre jünger und vierzig Kilo leichter wäre ...
U2 – Gloria. https://www.youtube.com/watch?v=ybYgP48X2DY

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