Montag, 24. August 2009

Spaziergang


Am ersten schönen Frühlingstag dieses Jahres entschloß ich mich zu einem Spaziergang. Ein Nachbar bat mich, auf meinem Weg nach dem Befinden seines Schwagers zu sehen. Tief in meinen Mantel versteckt – die Sonne schien zwar, doch der Wind blies sehr heftig – ging ich los und kam bald an die letzten Höfe und Häuser am Bahndamm. Im hellen frischen Licht erschien mir dieser entlegene Winkel des Dorfes wie etwas Neues, noch nie Gesehenes, obwohl ich schon seit langem hier wohnte. Ich fühlte mich wie ein Entdecker und ging durch die Straßen wie ein Fremder, der sich nur kurz in einer unbekannten Gegend umschaut, sie mit Staunen in sich aufnimmt, um gleich darauf wieder in die Heimat zurück zu kehren. Trotzdem spürte ich keine Unsicherheit, sondern nur die tiefe Neugier, wie sie kleine Kinder zu haben pflegen, als ich mich mit langen befreienden Schritten dem Hof des unbekannten Schwagers näherte. Das Haupthaus hatte eine überdachte Treppe, die auf ein mächtiges Portal zu führte, rechts davon erstreckte sich ein langer schmuckloser Anbau. Als ich zum ersten Mal klingelte, blieb alles still. Ich klingelte noch einmal und wollte gerade gehen, als eine alte gebückte Frau in einem schwarzen Kleid öffnete. Ich stellte mich vor und bat um Einlaß, den sie mir allerdings nur im Nebengebäude gewähren wollte. Ohne weitere Erklärungen schloß sie wieder die Tür, ich ging die Stufen hinab und wartete vor dem niedrigen Holztor des Anbaus. Schließlich hörte ich sie drinnen, wie sie mit unverständlichen Rufen gegen ein vielstimmiges Gebell ankämpfte, das dumpf hinter dem Tor begonnen hatte. Endlich hatte sie die Hunde beruhigt, und ich hörte das umständliche Drehen des Schlüssels im Schloß, das mich ungeduldig und bereits ein wenig gereizt näher treten ließ. Mit einem Mal aber öffneten sich beide Flügeltüren und eine riesige Meute großer Wolfshunde stürzte heulend aus dem Tor, förmlich aus ihm hinaus geschleudert ergoß sie sich endlos über die Gasse. Ich wurde umgerissen und während noch eines der übermächtigen Tiere seine Fänge in meinen Hals schlug, liefen die so plötzlich befreiten Bestien zur Hauptstraße hin, einem unbekannten Ziel entgegen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen