Montag, 29. Oktober 2012

Der deutsche Roboter - im Felde unbesiegt

„Weltmarktführerschaft“, sehr deutsch ausgesprochen, mit gerolltem R und gerollten Augen, etwas zu laut und mit hysterischer Wochenschaustimme vorgetragen – das ist das Ziel der deutschen Industrie. Wir dürfen auch diesmal auf das Ergebnis der teutonischen Bemühungen gespannt sein.
Was genau ist der Unterschied zwischen Derivaten, bezahlter Fellatio und Crystal Meth?
Das leere Kreisen des Kapitals im Orbit der Eliten, der Inzuchtkreislauf des Geldes zwischen Banken und Regierungen. Das Blut dieses Organismus transportiert keine Nährstoffe mehr, Milliarden Euro fließen Woche für Woche zum Schein in den Süden des Kontinents, wo Armut und Verzweiflung wachsen.
Heutzutage muss man das Gemüt eines Pferdemetzgers und die Lautstärke eines Flohmarkthändlers besitzen, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Aber wenn alle so werden, hat keiner was davon. Am Ende sind wir alle Maulhelden und niemandem geht es besser.
Der Kapitalismus ist sich seiner selbst so sicher, dass er sich in politischen Führungspositionen diverser Ostschrippen, Westkrüppel und sogar vietnamesischer Augenärzte als Wirtschaftsminister bedienen kann.
Dienstleistungsgesellschaft: Wir dachten, wir beraten uns alle gegenseitig und verkaufen uns die Skulpturen, die wir selbst angefertigt haben. In Wirklichkeit schneiden wir uns gegenseitig die Haare und reichen unseren alten Schulkameraden die Leberwurst über die Theke.
Neulich gab es einen Weltrekord von einem Herrn Baumgartner von Red Bull: Noch nie ist ein Mensch so schnell so tief gefallen. Eine Metapher für unsere Zeit?
Nur die Unterschicht ist in diesem Land multikulti, das Job-Center ist der Ort, wo sich 200 Nationen treffen. Die Mittelschicht ist schon fast ausschließlich biodeutsch, die Oberschicht ist selbstverständlich rein arisch. Die wichtigen Dinge haben sich in Deutschland noch nie geändert.
Wenn du im Traum fällst, wachst du auf. In der Realität auch.
An die wirklich wichtigen Leute kommst du mit Geld nicht ran: entweder sie haben genug davon oder sie sind nicht interessiert.
In unserem Körper sind soviele rätselhafte Stoffe, in tausend Jahren werden die nächsten Steinzeitmenschen unsere ausgebuddelten Oberschenkelknochen als Fackel benutzen.

Montag, 8. Oktober 2012

Ackermanns Erbe

Eigentlich wäre die Deutsche Bank ein tragischer Fall: Keine Organisation hat in Deutschland in so kurzer Zeit einen solch rasanten Imageverlust erlitten seit der NSDAP in den frühen vierziger Jahren. Aber warum haben selbst Drogenhändlerringe und Zuhältervereine heute eine bessere Reputation und einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert als die Finanzmafia aus Frankfurt? Weil die Banken mit ihren Verbrechen nun einmal einen wesentlich höheren volkswirtschaftlichen Schaden verursacht haben als jede andere Gruppe in diesem Land seit Ende des Zweiten Weltkriegs. So destruktiv war noch nicht einmal die SED. Seit vielen Jahren ist die Deutsche Bank regelmäßig mit ihren Straftaten auf Seite 1 der Zeitungen. Alle paar Wochen ein neuer Skandal: manipulierte Zinsen, geprellte Kunden, Betrug als System. Wäre die Deutsche Bank keine Organisation, sondern ein Mensch, würde man diesen Menschen als notorischen Verbrecher bezeichnen. Mehrfach vorbestraft, immer wieder im Gefängnis – und wenn es keine Verurteilung gab, dann einen teuren Vergleich, der wie ein Schuldeingeständnis wirkt. Niemand möchte in der Nähe eines solchen Ganoven leben, man würde die Kinder von seinem Haus fernhalten wollen. Vor zehn Jahren war diese Bank der Inbegriff der Seriosität, der Mercedes unter den Banken. Jetzt sehen wir einen kriminellen Monolithen vor uns und angeblich machtlose Politiker. Italien hat die Mafia – wir haben die Deutsche Bank.

Samstag, 6. Oktober 2012

Herbststurm

4:44 morgens. Finde noch ein halbes Bier auf dem Schreibtisch. Im Kühlschrank steht eine angebrochene Flasche Cola. Spontan kippe ich beides zusammen und probiere es. Schmeckt nicht schlecht. Gerade eben habe ich das Colabier erfunden. Kein übler Anfang für den Tag. Aber so ist das eben, wenn man das letzte Universalgenie der Menschheit ist.
Es lockert auf, heißt es in der Wettervorhersage. Wäre insgesamt auch nicht schlecht.
Die Generation des Wirtschaftswunders ist auch die Generation der Kriegsverlierer. Auf dem Feld der Politik war für sie nicht viel zu gewinnen, diese ökonomische Selbstdefinition ist der heutigen Bundesrepublik immer noch anzumerken. Es geht uns gut, aber wir wissen nicht wozu.
Der Umweltschutz ist aus deutscher Perspektive eigentlich ein Teilaspekt der beiden Generalobsessionen Ordnung und Sauberkeit. Die Flüsse sind tot, die Luft stinkt, die Wälder ersticken am Dreck. Unsere Aufgabe: Aufräumen, das Land reinigen, alles Gift entfernen, Häutung, Erneuerung, immer und immer wieder. Wir gewinnen regelrecht Lust aus der Umweltverschmutzung. Alles soll wieder neu sein, sauber sein und gut riechen. Gebt uns mehr Seife! Wisch und weg. Das wäre auch ohne Auschwitz sicherlich ein sehr deutsches Thema geworden.
Nichts ist kostbarer als das Leben. Es hat keinen Preis. Und dennoch geben wir es hin und tauschen den Tod dafür ein. Denn das kostbarste Gut, unser Leben, ist der Preis, den der Tod verlangt. Wäre dann nicht der Tod das kostbarste im Leben? Wenn der Tod ein Ort wäre, würden sich hier die Reichtümer aller Zeitalter finden. Oder hilft uns die feinsinnige Logik, die wir uns angezüchtet haben wie unseren Hunden die albernen Visagen, an diesem Punkt nicht mehr weiter?
Alles Neue wird von der Obrigkeit zugleich auf seine Nützlichkeit und auf seinen moralischen Gehalt überprüft. Daher der doppelte Blick des misstrauischen Buchhalters und des weltfremden Dorfpriesters. Man stelle sich die beiden Herren beim Anblick einer Montgolfiere oder eines Smartphone vor: Was ist das? Was soll das? Wohin wird das führen? Und natürlich: Was habe ich persönlich davon?
Ein echter Gott ist voller Liebe und Zorn. Der lauwarme Christengott, passiv und voll inhaltsleerem Verständnis, ist ein ferner Verwandter, ein Langweiler auf Durchreise, Karottenkuchenfraktion inklusive Zeit-Abo. Kein Wunder, dass er in der Götterliga derzeit eher gegen den Abstieg spielt.
Früher hat man die eigenen Namen im Schmutztitel eines Buches notiert, denn nach der eigenen Lektüre nahm es gewöhnlich seinen Weg durch den Freundeskreis. So manches Exemplar war von seiner Reise gezeichnet wie ein alter Mann, als ich es wieder sah. So war der Name eher eine Ortsangabe als eine Besitzanzeige.
Warum sollten sich die Bürger Europas streiten? Weil sich ihre Politiker streiten? Das wäre doch albern. Wir geraten ja auch nicht gleich auf der Straße miteinander in Streit, nur weil sich unsere Hunde anbellen.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Tag der deutschen Einheit – europäisches Deutschland oder deutsches Europa?

Merkel und Ratzinger, der Papst und die Kanzlerin, die preußische Pastorentochter und der bayrische Ultra-Katholik, gemeinsam sind sie die moralische Geißel des Nordens für die Sünden des Südens, für die Jahre des Überflusses und der Euphorie. Die Zeit der Strafe und der Züchtigung, des Verzichts und der Buße ist voller Zorn - gegen sich selbst und gegen die Zuchtmeister. Hier bahnt sich ein Drama epochalen Ausmaßes an, von dem ich hoffe, dass es sich mir von meiner Berliner Sternwarte aus nur als Schauspiel, als Wetterleuchten am Horizont darbieten wird.
P.S.: Heute bei meinem Stammgriechen gewesen, O-Ton von einer Dame am Nachbartisch: „Ick find den Kapitalismus so zum Kotzen! Ick bin ja aus’m Osten, aber so schwarz hammse uns den Kapitalismus in der Schule nich jemalt.“ In der DDR lebten die Musterschüler des Kommunismus, in der BRD leben die Musterschüler des Kapitalismus.
P.P.S.: Ich bin übrigens auf der Basis folgender Überlegung vorsichtig optimistisch hinsichtlich der langfristigen Entwicklung: Würden Sie auf der sinkenden Titanic Silberlöffel klauen? Das wäre sinnlos. Gegenwärtig sehen wir, dass die Bereicherungsorgie der „Elite“ munter fortgesetzt wird. Sie bauen noch keine Festungen und stellen keine Privatarmeen zum Schutz ihres Eigentums auf. Das sollte uns hoffnungsfroh stimmen.

Montag, 1. Oktober 2012

1. Oktober 1982

Heute vor dreißig Jahren hat Helmut Kohl mithilfe finsterer FDP-Komplizen die Macht ergriffen. Seine Karriere ist schnell erzählt: Mithilfe des faschistischen Unternehmers und Kriegsgewinnlers Fritz Ries geht es in der neugegründeten CDU des Wirtschaftswunderlandes rasch voran, schon seine Dissertation kann Kohl von einem Ghostwriter schreiben lassen. „Ein Plakat der SDAJ hatte behauptet, Ries habe über Helmut Kohl gesagt: ‚Auch wenn ich ihn nachts um drei anrufe, muss er springen.’ Nach Aussage von Ries’ Schwiegersohn Herbert Krall, der samt seiner Ehefrau, Ries’ Tochter Monika, bereit war, gegen Ries in den Zeugenstand zu treten, hatte Ries den CDU-Chef noch ganz anders bewertet: als 'Hauspolitiker' der eigenen Firma, als ‚Proleten, den man freilich nötig hat’.“ (wikipedia-Artikel über Ries). In den siebziger Jahren übernahm der Großindustrielle Friedrich Karl Flick die Leitung der "Aktion Kohl", mit dem die deutsche Wirtschaft einen ihrer Männer an der politischen Spitze installieren wollte. Der Rest ist bekannt, bis über seine Dienstzeit als Kanzler hinaus ließ sich Helmut Kohl von Industrie und Medienkonzernen willfährig schmieren und hat dabei sein Ehrenwort als Grußaugust des Kapitals über das Grundgesetz gestellt, auf das er so oft geschworen hat – so wahr ihm Gott helfe. Mit Kohl begann der Abstieg der Politik. Er hat viel Vertrauen in die politischen Institutionen dieser Republik verspielt, Typen wie Roland Koch, Christian Wulff oder Freiherr von Guttenberg haben uns den Rest gegeben. Erneuerung ist nicht in Sicht, Resignation und Neobiedermeier prägen die Gegenwart. Sollte es Gott wirklich geben, wird der Oggersheimer Scheinriese bis zum jüngsten Tag in der Hölle brennen. Die letzten Jahre im Diesseits geben ihm bereits einen Vorgeschmack: die Frau in den Selbstmord getrieben, den Kontakt zu den eigenen Kindern abgebrochen, in seinem Bonzenbunker isoliert und verbittert.