Dienstag, 29. Januar 2013

Randnotizen: Mauerpark und der Euro

Zwei kleine Meldungen sind in den vergangenen Wochen erschienen, die leider unter Bergen von Gossip – vom Dschungelcamp bis zur erotischen Ausstrahlung Rainer Brüderles – begraben worden sind. Zum einen hat die EZB in einer dürren Pressemitteilung bekannt gegeben, dass sie in Zukunft Anleihen des ewigen Rettungsfüllhorns ESM akzeptieren wird. Ein direkter Kauf wäre Staatsfinanzierung durch die europäische Notenbank, das ist nicht erlaubt. Erlaubt ist aber, dass der ESM Anleihen an Banken und andere Investoren verkauft. Die Banken können sich auf dieser Basis frisches Geld von der EZB leihen und die ESM-Anleihen als Sicherheit hinterlegen, die Zinsdifferenz ist risikoloser Profit. Ein Perpetuum mobile zwischen Banken und Regierungen auf Kosten der Steuerzahler – endlich ist es perfekt. Kein Bundestag muss mehr über ein neues Rettungspaket oder eine angeblich in Deutschland verfassungswidrige Erhöhung der ESM-Gelder abstimmen, die EZB finanziert geräuschlos den ESM, gleichzeitig haben wir mit den ESM-Anleihen trotz Merkels Schwur auch Euro-Bonds bekommen. Und trotzdem wird das Thema bald vergessen sein – denn der deutsche Michel ist nicht nur reich und gutmütig, sondern auch feige und bequem.
Apropos „feige und bequem“: Eine andere Meldung besagt, die CA Immo habe sich in Sachen Mauerpark mit herunter gelassenen Hosen in die Büsche geschlagen und habe das zur Bebauung vorgesehene Gelände an einen stadtbekannten Baulöwen verkauft. Klaus Groth ist der Darth Vader des Berliner Bausündenkarussels und ein gefürchteter Gegner von unprofitablen Grünflächen, von ihm ist noch weniger Dialogbereitschaft zu erwarten als von seinen Vorgängern – falls das überhaupt noch möglich ist. Immerhin ist die rückgrat- und wortlose Flucht der CA Immo ein erster Erfolg für die Bürgerinitiativen, die sich nicht von den Beteiligungsplacebos der Lokalpolitik einlullen ließen. Dass diese drittklassigen Mauscheleien in Hinterzimmern beschlossen wurden, wie Beton-Spallek erst dieser Tage höhnisch grinsend bekannt gab, habe ich bereits am 6.7.2012 und am 15.9.2012 in diesem Blog berichtet. Vielen Dank in diesem Zusammenhang an die vielen Leserinnen und Leser, der Artikel vom 15.9.2012 ist inzwischen über zweitausend Mal angeklickt worden, allein sechshundert Mal in diesem Monat. Die meisten Leser kommen aus USA und Schweden, Deutschland liegt auf Platz 3, dann kommen Frankreich und weitere europäische Länder. Wir sehen: Das Thema Mauerpark findet internationale Beachtung! Ein Spekulant mag der neue "Eigentümer" des Mauerparkgrundstücks sein, aber es ist immer noch unser Territorium.

Samstag, 26. Januar 2013

Der Hund

Im domestizierten Wolf, dem sogenannten Hund, kann man die konzentrierte Weisheit der Menschheit beobachten. Er hört den Menschen seit zehntausend Jahren zu, ob am Lagerfeuer oder vor dem Fernseher, ohne auch nur ein einziges Wort zu verstehen. Egal was geredet wird, dem Hund ist es egal: Das Gekläffe der Menschheit, so nutzlos wie das nervöse Bellen eines Yorkshire-Terriers. Er könnte sich sogar an die vornehme Verschwiegenheit seiner Vorfahren erinnern, während er das stundenlange Gezwitscher einer unwesentlich mehr domestizierten Affenhorde seufzend und mit dem Kopf auf den Pfoten erträgt. Nur unsere Handlungen zählen für ihn. Wenn wir aufstehen und zur Tür gehen, haben wir ihn schon für uns begeistert.

Dienstag, 22. Januar 2013

F.D.P.

Ein Wohnblock aus den fünfziger Jahren, dessen Insassen - umwabert von den Ausdünstungen spätrömischer Dekadenz an den Aktienmärkten - nicht mehr die Kraft zum Suizid finden und denen der Mut zum Leben fehlt. Es ist die Farbe von Sand, die wir auf einer vergilbten Fotografie sehen und die bei Taxis idiotischerweise "Champagner" heißt. Aber es ist die Farbe der Endstation, die Farbe der Wüste, die Farbe der Alternativlosigkeit. Wer hier noch von echtem Gelb spricht, vom Anspruch auf Licht, auf Erkenntnis und Aufklärung, auf das Gold der Sonne, lebt in der Vergangenheit. Das alte Haus ist blass geworden. Wirres Gemurmel, gespenstische Szenen, eine Farbe vergeht.

Dienstag, 15. Januar 2013

Vermischtes

Habe gerade bei umfangreichen Entrümpelungsarbeiten auf meinem Schreibtisch einen noch voll funktionsfähigen Aufkleber mit der Aufschrift "Olympia 2000 in Berlin. Ich bin dafür!" gefunden. Das wären herrliche Spiele geworden: Die 100-Meter-Bahn für die Leichtathleten nur zu zwei Dritteln fertig gestellt, ein 50-Meter-Becken ohne Wasser und die olympische Fackel wird zwo Jahre später entzündet.
Thema Wetter: Die Meteor-Urologen irren sich auch immer öfter!
Schweiß – das Wetgel der Steinzeit.
Maschinen, die in Zukunft mit uns kommunizieren werden, Teil 135: Der Toilettensitz, der dich beim Aufstehen daran erinnert, dir die Hände zu waschen. Wie meine Mutter!
Wer die Muffinproduktion kontrolliert, hat die Macht über das Universum. The sugar must flow!
Ich arbeite an einem Medikament, das die Menschheit retten wird. Aber nur hobbymäßig, freitags zwischen 17 und 18 Uhr. Es macht sich gut in meinem Lebenslauf, neben der Delphinbetroffenheit und meiner samoanischen Herkunft.
Unterschätzt die Kinder nicht: Heute bauen neunjährige Mädchen ein 80-Teile-Lego-Friends-Paket mit einer 17-seitigen wortlosen Bauanleitung, bei der jede gestandene Ikea-Profi durchdrehen würde, mit dem gleichen Tempo und der gleichen Präzision zusammen wie Chuck Norris einen Raketenwerfer.
Bei den Sündenböcken des 21. Jahrhunderts gibt es bemerkenswerte Parallelen: Auf den US-Loser Bush folgte Obama, auf Westerwelle folgte Rösler und auf Ackermann folgte Jain. Man überlässt Farbigen, Waisenkindern und Migranten die Rolle des schwarzen Peters am Ende des Spiels.
Aus meinem Lebenslauf: Angefangen habe ich bei der BSR, mit einem sechsmonatigen Praktikum als Beifahrer auf der Straßenkehrmaschine. Später habe ich dann was mit Medien gemacht, ich hatte sogar meine eigene Radiosendung im Internet. Ich und meine Bauchrednerpuppe Chucky. Lief aber nicht so toll. Was soll’s? Ich werde nie rauskriegen, was da schief gelaufen ist.

Montag, 14. Januar 2013

Die ewigen Zweiten

Das Zweite Deutsche Fernsehen hat seinen Sitz bekanntlich in Mainz. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen, die nur wenige Kilometer vom berühmt-berüchtigten Lerchenberg entfernt ist. Schon in meiner Kindheit stand ZDF für Alkoholismus, zerstörte Familien und überbezahlte Besserwisser. Bis heute kenne ich einige Mitarbeiter in den Redaktionen und in der Technik persönlich, von denen ich immer die neuesten Storys zu hören bekomme. In diesem bürokratischen Moloch arbeiten offiziell etwa 3600 Menschen, inklusive externer Zulieferer und freier Mitarbeiter sind es ungefähr 7000. Dazu gehört auch der Kollege, der seit den neunziger Jahren immer nur einen neuen Drei-Monats-Vertrag erhält und hunderte von Filmbeiträgen gedreht hat. Überhaupt „Fernsehen“: Die Leute von der ZDF-Verwaltung nennen intern die Mitarbeiter der Redaktionen „die vom Fernsehen“, es gibt nur noch 17 Menschen in diesem Unternehmen, die eine Kamera bedienen können – einen davon kenne ich seit meiner Kindheit. Das Programm gilt, so ein alter Kalauer aus den Bürofluren der Öffentlich-Rechtlichen, ohnehin nur als Nebenprodukt einer mächtigen Verwaltung. Und diese größenwahnsinnige Bürokratie bekommt den Hals nicht voll genug: Fernsehen wird seit dem ersten Januar über eine Zwangssteuer finanziert und argumentativ unseren Krankenhäusern, Schulen und Parlamenten gleichgestellt. Dazu gibt es massive Schleichwerbung – und nicht nur bei „Wetten, dass …?“ Früher war es in der Produktion üblich, sich den Kostenaufwand über Schleichwerbung wieder reinzuholen. Man dreht in einem Krankenhaus? Ein Anruf beim Hersteller medizinischer Geräte, man bespricht wie lange das Produkt im Bild sein soll und fertig ist die Medienlaube. Ich habe zu diesem ganzen Elend einen radikalen Vorschlag: Wir brauchen nicht zwei öffentlich-rechtliche Paralleluniversen in Deutschland, das föderal aufgebaute System der ARD reicht völlig. Schließt das ZDF! Beendet das Programm! Dieser Sender ist so reformunfähig wie die SED.

Donnerstag, 10. Januar 2013

Landgasthöfe – ein Monolog

Der weltberühmte, unvergleichliche, stets geistreich formulierende, vor Witz sprühende, nie dagewesene und nie wieder weggehende Kiezschreiber präsentiert Ihnen einen völlig neuen Text mit absolut akrobatischen Wortkombinationen, soviel darf ich Ihnen mit ruhigem Gewissen versichern, meine Damen und Herren. Es ist unglaublich, was dieser Magier der Syntax aus jener deprimierend monochromen Ansammlung von armseligen Symbolen auf seiner Tastatur alles zaubern kann. Treten Sie näher und lesen Sie unverbindlich Probe!
„Das ist so ein Gasthaus, da fragst du dich, warum es den Wirt gibt. Und warum es seine dicke Frau mit den rosa Schlappen gibt. Ja: Warum es den Laden überhaupt gibt. Das ist eine Kaschemme, die ist so gnadenlos beschissen, da kommen ganz grundsätzliche Existenzfragen auf. Da fragst du dich am Ende selbst, warum du eigentlich hinein gegangen bist, was dich Hornochsen eigentlich dazu bewogen hat, ausgerechnet in diese hochtoxische Wirtshausbesuchervernichtungsmaschine hinein zu stürzen, nein: herein zu fallen, und es finstert ahnungsvoll in deinem Gemüt: diesmal hast du das falsche Haus betreten, dieses Gastmahl wird das letzte sein, es schnürt dir die Kehle zu, du bekommst keine Luft mehr, es rasselt in deinen Lungen und längst ist es in dem riesigen Saal des Roten Ochsen ganz still geworden. Die beiden Wirtsleute, es sind die im ganzen Ort geachteten Geschwister Stiller mit ihren glatten, runden und fast identischen Gesichtern, stehen nun ganz nah vor deinem Tisch, Hand in Hand, sie lächeln und schauen dir zu. Das letzte, was du sehen kannst, ist ein Teller mit einem Eierpfannkuchen, der mit Puderzucker bestreut und mit zwei halben Erdbeeren garniert ist.“

Samstag, 5. Januar 2013

Johnny Walker

Johnny Walker ist die einzige Whisky-Destillerie der Welt, die ihre Produkte konsequent nach der britischen Klassengesellschaft ausgerichtet hat. Die unterste Stufe ist das Red Label. Für die arbeitende und häufig sozialdemokratisch gesinnte Mittelschicht. Auf der Homepage des Unternehmens wird dieser Kundenkreis tatsächlich aufgefordert, das Red Label für Mixgetränke zu verwenden. Whisky für die Unterschicht wird im übrigen von Johnny Walker grundsätzlich nicht hergestellt, da naturgemäß im Proletariat die Kaufkraft für hochwertige Alkoholika fehlt. Die nächste Stufe ist das Black Label für die Oberschicht und das doppelt gebrannte Black Label als Distinktionsmerkmal für die Neureichen. Im Jahre 1934 verlieh der britische König Johnny Walker das Privileg, das legendäre Blue Label herstellen zu dürfen. Dieser Whisky war nur dem Hause Windsor und ausgewählten Angehörigen des Hochadels vorbehalten. Wie alle Whiskys von Johnny Walker ist auch das Blue Label ein Blend, also eine Mischung ausgewählter Fässer. Es heißt, ein Whisky müsse mindestens 25 Jahre gereift sein, um in die engere Auswahl zu kommen. Seither ist viel Zeit vergangen ... inzwischen gibt es sogar ein Green Label.

Freitag, 4. Januar 2013

Albanien

Was wissen wir eigentlich von Albanien? Kennen Sie jemanden, der schon mal da war? Kann man dort Urlaub machen? Gibt es ein albanisches Produkt, das ich irgendwann einmal in meinem Leben gekauft habe? Eine Dienstleistung, die ich womöglich im Internet in Anspruch genommen habe? Wie sieht die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts in Albanien konkret aus? Wovon leben die Menschen in diesem Land? Es gab einmal eine Auswertung der Hartz IV-Empfänger, in der nach Herkunftsland unterschieden wurde. Die Albaner waren die einzige Gruppe, die über 100 Prozent kam. Es waren rein statistisch betrachtet nicht nur alle Albaner in Deutschland Hartz IV-Empfänger, sondern einige von ihnen sogar mehrfach in verschiedenen Bundesländern. Seither sind die Albaner nicht mehr in der Statistik. Wir wissen gar nichts über diese Leute. Albanien ist übrigens ein Nachbarland von Griechenland.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Der ultimative Jahresrückblick 2013

Bevor alles wieder längst zu spät ist und lästige Fakten den Blick auf das Wesentliche verstellen, hier die Highlights des Jahres 2013:
Januar: Philippino Rösler wird nach der Niedersachsenwahl vom Vizekanzler zum Dschungelkönig befördert. Sein Kommentar: „Ich habe ausgeliefert.“
Mai: Im Endspiel der Champions League stehen sich in diesem Jahr Borussia Dortmund und der FC Bayern München gegenüber.
August: Wegen der überraschenden Hitze werden der S-Bahn-Verkehr in Berlin und alle ICE-Verbindungen vorläufig eingestellt.
September: Steinbrück wird zum Kanzler gewählt, lehnt bei der Vereidigung im Bundestag den Job aber wegen der „krass beschissenen Bezahlung“ dankend ab. Merkel, bereits nach Mallorca abgereist, muss „alternativlos“ übernehmen.
Dezember: Archäologen machen einen sensationellen Fund. Der stark mumifizierte Bauernkalender aus dem Westerwald verkündet das Ende der Welt für den 27.12.2013. Diesmal sind alle Weihnachtsgeschenke vom Umtausch ausgeschlossen.