Samstag, 1. Februar 2014

Macht und Moral

Zu den großen Illusionen der Politik gehört es, dass es um Gerechtigkeit oder Freundschaft, um Gut und Böse ginge. Das sind nur abstrakte Begriffe aus der Sprachwelt der Märchenbücher und Erbauungspredigten. In der Politik geht es um Macht, so wie es in der Wirtschaft um Profit geht. Politiker sind keine Märchenerzähler oder Prediger – auch wenn sie in diesen Rollen oft sehr erfolgreich vor ihrem Publikum auftreten -, sondern Machtmenschen. Und gerade in der internationalen Politik wird der Konkurrenzkampf um die Macht noch unverschleiert praktiziert. Es gibt etwa zweihundert Länder auf dieser Erde und jedes will stärker sein als die anderen. Und so hat sich im Laufe der Geschichte eine Hierarchie der Starken und Schwachen herausgebildet, die sich durch bloßen Appelle an die Moral nicht verändern lässt. Es ist wie auf dem Pausenhof einer Schule, wo es den muskulösen Schläger gibt, der die Kleinen nach Belieben herumschubsen kann. Nun kann man als kleiner Bub versuchen, an die Barmherzigkeit des Schlägers zu appellieren: „Hör auf! Lass mich in Ruhe!“ Oder man kann mit höheren Instanzen drohen: „Hör jetzt auf oder ich sag’s dem Lehrer!“ Oder man droht mit seinen Eltern. In der internationalen Politik gibt es aber keine höheren Instanzen, die Vereinten Nationen oder die Genfer Konvention sind nur zahnlose Papiertiger, die im Kampf um die Durchsetzung nationaler Interessen eine vernachlässigbare Größe darstellen.
Die Hierarchie sieht im 21. Jahrhundert ganz einfach aus: Amerika ist die Nummer eins. Über den Vereinigten Staaten kommt nur noch Gott und der mischt sich bekanntlich nicht ein oder ist womöglich auch gar nicht vorhanden. Die USA können in fast jedes Land der Erde mit ihren Truppen einmarschieren und jede internationale Vereinbarung wie beispielsweise das Kyoto-Protokoll einfach ignorieren. Dann kommen Russland und China, danach Großbritannien und Frankreich. Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich diese fünf Staaten auch im Weltsicherheitsrat wiederfinden lassen. Deutschland ist eine Mittelmacht mit regional begrenztem Einfluss wie etwa Brasilien oder Indien. Daher zeugt es von großer Naivität und begrenzter Professionalität, wenn die deutsche Regierung in Sachen NSA-Spionage jetzt eine Entschuldigung von der US-Regierung erwartet oder sogar glaubt, die Spionagetätigkeit in Deutschland könne auf dem Verhandlungsweg eingestellt werden. Warum sollten sich die Amerikaner entschuldigen? Würden sich die Russen oder die Chinesen entschuldigen? Der Starke muss sich vor dem Schwachen nicht rechtfertigen. Er muss auch keinen freiwilligen Machtverzicht üben, denn das würden ihm die anderen als Schwäche auslegen. Wir sind doch nicht bei Grimms Märchen oder einem Kirchentag. Die Bundesrepublik hat ihre Rolle in der internationalen Hierarchie zu akzeptieren. Auf dem Schulhof geht man den Schlägern einfach aus dem Weg oder liefert ihnen sein Pausenbrot, sein Taschengeld oder was auch immer ab. Und gegen Spionage kann man sich wehren. Wieso kann diese Republik mit ihrem Heer von Ingenieuren und Forschern der Bundeskanzlerin eigentlich kein abhörsicheres Handy zur Verfügung stellen?

1 Kommentar:

  1. Wir in der Schule versuchen dafür zu sorgen, dass der Lehrer seiner Aufsichtspflicht nachkommt, seine Handlungsmöglichkeiten kennt und Willens und in der Lage ist, diese konsequent zu nutzen. Zudem versuchen wir die Schüler dahingehend zu stärken, dass sie couragiert sind, sich mithin wehren, wenn sie selbst betroffen sind oder eingreifen, wenn ein Mitschüler betroffen ist. Übergriffe auf dem Schulhof sind bei uns eine absolute Ausnahme.
    Klar ist die UNO an dieser Stelle machtlos, aber eine gemeinsam handelnde EU könnte sich den USA wirkungsvoll entgegen stellen, nicht nur auf technischer Ebene.

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