Samstag, 31. Mai 2014

Die Geschichte der Fußballweltmeisterschaft, Teil 1

Im Fußballsport der jüngeren Geschichte, also seit Beginn der Industrialisierung, ging es schon immer um mehr als Sieg oder Niederlage in einem Spiel. Es ging um viel Geld und die Ehre ganzer Nationen, was den tiefen Ernst, die Humorlosigkeit und die Aggressivität erklärt, mit der sich im nächsten Monat wieder Hunderte von Spielern und Milliarden von Fernsehzuschauern in das größte Sportereignis der Menschheitsgeschichte stürzen werden. Bei den Olympischen Spielen gibt es viele Sieger, bei einer Fußballweltmeisterschaft gewinnt am Ende nur ein Land – alle anderen etwa zweihundert Teilnehmer an der Qualifikation und dem Turnier gehen leer aus.
Alles begann in den Schweizer Bergen, wo sich 1925 zwei Männer trafen, die beide leidenschaftliche Fußballfans waren: der Franzose Jules Rimet, FIFA-Präsident, und der Viehbaron Enrique Buero aus dem winzigen Uruguay, der „Schweiz Südamerikas“, die es durch den Export von Rindfleisch zu großem Wohlstand gebracht hatte. Uruguay war amtierender Olympiasieger und so beschlossen sie, in Uruguay 1930 die erste Fußballweltmeisterschaft zu veranstalten. Auf diese Weise sollte es auch Profispielern möglich sein, an einem großen Turnier der Nationalmannschaften teilzunehmen. 1885 wurde der Profifußball in England, dem „Mutterland des Fußballs“ eingeführt, Österreich folgte als erstes kontinentaleuropäisches Land 1924. England und Schottland (Profifußball seit 1893) weigerten sich jedoch, an der Weltmeisterschaft teilzunehmen.
1923 gelang übrigens der erste Sieg einer Mannschaft vom Festland gegen einen Club von der Insel: Der jüdische SC Hakoah Wien (Hakoah: hebräisch für „die Kraft“) schlug West Ham United in London mit 5:0. Die Wiener Hakoah wurde 1925 erster Profi-Meister außerhalb Englands und ging im folgenden Jahr sogar auf eine große USA-Tournee. In Südamerika (Argentinien, Brasilien und Uruguay) wurde der Profifußball offiziell erst in den frühen 1930er Jahren eingeführt, es floss aber bereits seit Beginn des Jahrhunderts viel Geld in den Vereinen. Und noch ein hübsches Detail, auch wenn es gar nicht hierher gehört: Das einzige deutsche Olympia-Gold im Fußball holte die DDR 1976 in Montreal.
In Montevideo entstand das größte Fußballstadion der Welt (es fasste 93.000 Zuschauer), alles war für die erste Fußball-WM gerichtet – als im Oktober 1929 der New Yorker Börsenkrach die Welt in eine tiefe Wirtschaftskrise stürzte. In der Folge konnten es sich nur vier europäische Nationen leisten, eine Mannschaft auf die dreiwöchige Schiffsreise über den Atlantik zu schicken. Frankreich, Rimets Heimatland, Belgien (Olympiasieger 1920), Jugoslawien und Rumänien, wo ein sportbegeisterter König den Kader persönlich zusammenstellte. Insgesamt nahmen nur 13 Mannschaften an dem Turnier teil, davon acht aus Lateinamerika. Die USA schickten ein Team von emigrierten schottischen Profis nach Uruguay. Im Endspiel standen die beiden Nachbarstaaten Argentinien und Uruguay, die schon im Finale der Olympischen Spiele 1928 aufeinander getroffen waren. Da man sich nicht auf einen gemeinsamen Ball einigen konnte, wurde in der ersten Halbzeit mit einem argentinischen und in der zweiten Halbzeit mit einem uruguayischen Sportgerät gespielt.
150.000 Fans, damals noch zutreffend „Schlachtenbummler“ genannt, wollten das Spiel sehen. Zoll und Militär beschlagnahmten im Vorfeld etwa 1600 Schuss- und Stichwaffen, der argentinische Schlachtruf war „Victoria o muerte“. Um das Stadion herum war die Kavallerie des Gastlandes im Einsatz, innerhalb der Sportarena die Infanterie und die Polizei. Als Argentinien zur Halbzeit führte, pflanzten die Soldaten, die im Abstand von wenigen Metern das Spielfeld umstanden, die Bajonette auf ihre Gewehre und die Polizisten zogen ihre Pistolen, da mit Ausschreitungen gerechnet wurde. Uruguay gewann jedoch das Spiel und im ganzen Land wurde tagelang gefeiert, während auf der anderen Seite des Rio de la Plata Nationaltrauer herrschte.
Propaganda – p.Machinery. http://www.youtube.com/watch?v=-0cFzZt4mc4

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