Donnerstag, 3. Juli 2014

Ansichtskarten

Ich habe in einer Schublade einen Stapel alter Ansichtskarten gefunden, die alle an meine verstorbenen Großeltern adressiert sind.
Aus Puerto de Pollensa schreibt mein Vater 1976 seinen Eltern auf einer Karte, auf der acht winzige Bilder das Meer in der mallorquinischen Bucht, Hotels und Hafenanlagen zeigen. Von mir, der ich zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt bin, wird berichtet, dass es mir dort sehr gut gefällt und ich einen Jugend-Segelschein mache.
Aus Füssen im Allgäu berichtet er 1984 nur, dass der Urlaub schon halb vorbei sei, sich das Wetter aber bis zum Zeitpunkt der Berichterstattung „gut gehalten“ habe. Mit der Hoffnung, „dass Ihr noch einigermaßen gesund seid“ und der üblichen Grußfloskel enden die Zeilen. Das Bild zeigt einen See, hinter dem sich zwei Berge erheben.
Die nächste Karte ist aus dem kroatischen Selce und stammt aus dem Jahr 1970. Meine Mutter schreibt an mich und meine Großeltern. Offensichtlich habe ich mich zu diesem Zeitpunkt bei ihnen aufgehalten. Das Wetter ist schön und man hat tatsächlich eine Nachbarfamilie dort getroffen. „Mehr morgen, denn wir wissen noch nicht wie es weitergeht.“ Wir sehen das Meer und auf Handtüchern ausgestreckte Menschenleiber.
Alassio an der Riviera, wir schreiben das Jahr 1969. Eine Nachbarin berichtet, dass am Vormittag die Sonne warm geschienen habe, nun aber – es ist inzwischen Nachmittag – regnet es leider. Hotel und Verpflegung sind gut, das Bild zeigt eine palmengesäumte Strandpromenade und Menschen mit komischen Hüten.
Gigantische Betonsilos und ein überfüllter Sandstrand. Das ist Playa de Aro an der spanischen Costa Brava 1978. Meiner Schwester geht es gut, richtet sie den Daheimgebliebenen aus, aber es sei sehr heiß. „Bis auf die überbackenen Tomaten ist das Essen sehr gut.“ Das ist erfreulich.
Aus Venedig versendet mein Vater „viele herzliche Grüße von einer Dampferfahrt“. Das Wetter sei herrlich. Obwohl auf der Karte die Postleitzahl und die Straße nebst Hausnummer fehlen, ist sie offenbar wohlbehalten angekommen. Als Ergänzung zum Zielort Katzenelnbogen werden Diez an der Lahn und der Taunus als Region genannt.
1976 schreibt er aus Wien, er sei „ein paar Tage dem Alltag entflohen“ und fühle sich sehr wohl. Acht Bilder zeigen die Sehenswürdigkeiten Wiens wie den Stephansdom, Schloss Schönbrunn und das Prater-Riesenrad.
Weniger wohl fühlt sich meine Schwester 1979 auf Klassenfahrt in München. „Es ist heiß, und wir müssen durch Museen laufen. Dafür dürfen wir bis 24 Uhr in die Disco.“ Auf neun Bildern werden die Vorzüge Oberbayerns optisch aufbereitet, darunter Schloss Neuschwanstein, ein Ausflugsdampfer, ein Bauernhaus und tanzende Menschen in volkstümlicher Tracht.
Eine Karte von mir an Oma und Opa aus dem Jahr 1976! Ich bin bei meiner anderen Großmutter – nur 15 Kilometer entfernt. „Gestern habe ich mit Oma Minigolf gespielt und sie besiegt. Es war ganz toll. (…) Heute regnet es leider, und deshalb sehe ich heute Mittag nur fern.“
Dann meldet sich wieder meine Schwester, diesmal aus dem südfranzösischen Cap d’Agde, wo die gesamte Familie Urlaub macht. „Weil es keine Hotelzimmer mehr gab, wohnen wir jetzt im Appartement, wo man alles selbst machen muss. Das Wetter hier ist genauso wie in Deutschland“. Aber wie war es am 31. Juli 1978 in Deutschland? Das Bild zeigt einen Sonnenuntergang über dem Meer.
Meine gesamte Familie in Urlaubsprosa … Meine Großeltern sind übrigens in ihrem ganzen Leben nie in den Urlaub gefahren. Wie denn auch? Hätten sie die Hühner in die Tierpension bringen sollen? Und wer kümmert sich um das Gemüse im Garten? Zum Thema Urlaub passt das folgende Musiksandwich:
Tocotronic – Der schönste Tag in meinem Leben. http://www.youtube.com/watch?v=uOspqHAa8BU
Johann Strauss – An der schönen blauen Donau. http://www.youtube.com/watch?v=F1mmHn-FD48
Tocotronic – Nach Bahrenfeld im Bus. http://www.youtube.com/watch?v=LSg4yD58xeE

1 Kommentar:

  1. Hey Eb,
    mein Beitrag zum Thema "Postkarten": Mich erreichte mal eine Postkarte, Straße, Hausnummer und Ort korrekt, aber adressiert an "Rockin and Rollin Slide Miller". Respekt an die Deutsche Post!
    Sagt:
    Rockin and Rollin Slide Miller

    AntwortenLöschen