Freitag, 10. Oktober 2014

Computer Collector 24 D.3 (1986)

Aus einem Werbefilm: „Der CC 24. First Class. Die endgültige Computertechnik. Erleben Sie den CC 24 im Einsatz. Eine neue Inkasso-Dimension. Pleasure Flair. Exakt bis auf den letzten Cent. Unbegrenzter Einsatz und Freiheit. Body Luxus. Humanoid – im Verhalten und im Aussehen. Unzerstörbar. Der Auftrag. Niemand hält ihn auf. Seine Ehre heißt Treue. Multiple Programming Center. Der Cocktail aus Macht und Geld. Er nimmt für Sie, was Ihnen gehört. Ein Herz aus Gold. Eine Hand aus Stahl. Neu. Der CC 24. Unser Toptipp. Prüfen Sie ihn unverbindlich.“
Irgendwann gegen Ende des nächsten Jahrhunderts. Ein letzter Rest von Licht kriecht durch die leeren Straßen der Stadt. Umgefallene Mülltonnen ergießen ihren Inhalt über den Bürgersteig, ein plötzlicher Windstoß weht ein paar schmutzige Fetzen den Rinnstein entlang. Alles scheint unverändert. Niemand ist zu sehen, vielleicht ein misstrauisch blickendes Augenpaar zwischen den Brettern eines vernagelten Fensters, vielleicht eine Ratte, sonst nichts. Leere. Die unbestimmbaren Geräusche der Hinterhöfe, flach atmend der Wind. In der Ferne, am Ende der Straße, eine Silhouette. Ein Mann nähert sich, unaufhaltsam schiebt er sich an den grauen verfallenen Häuserblocks vorbei. Der regelmäßige Aufschlag seiner Stiefel. Er schaut sich nicht um, er kennt den Weg. Er ist der Computer Collector. In seinem Programm ist der Name Poindexter gespeichert. 11814,35 Dollar. Poindexter hat seit drei Monaten nichts mehr überwiesen. Heute ist Zahltag.
Als er den Hausflur betritt, bricht endgültig die Nacht über die große Stadt herein. Eine nackte Glühbirne erhellt spärlich die übelriechenden Pfützen auf dem Flur. Ohne auch nur einmal den Weichgummiaufsatz vor dem Programming Center zu deformieren, steigt der CC 24 über die auf den Treppenstufen liegenden, nicht näher einzuordnenden Gestalten, die es sich auf alten Lumpen und Zeitungen bequem gemacht haben. Steuerklasse 0. Ein Fall für die Desinfektion. Wer von diesen Kreaturen wohl alles seine Nummer in den Datenbanken der Metropolitan Police hat? Aber das ist nicht sein Problem. Er ist kein Terminator. Seine Aufgabe ist nicht die anonyme Rache der Zentralregistratur. Er hat eine präzise Anweisung: Geld. Cash. Keine Kompromisse, keine Ausnahmen. Gezahlt wird gleich. Das ist deine definitiv letzte Chance, Richard Poindexter, Portobello Drive 237b. Das Leben der Menschen ist nicht wichtig. Ein Standard Terminator nimmt nur das Leben, der Computer Collector muss weiter denken. Die Auslöschung einer Unperson gehört dazu. Er hat einen Auftrag. Der Auftrag steht über allem. Wer nicht zahlt, hat verloren. Wer die Spielregeln nicht beherrscht, scheidet aus.
Er hat inzwischen die wurmstichige Tür im dritten Stock erreicht. Das Knarren der Stufen, wenn sich eine der Gestalten im Dämmerschlaf bewegt, das leise Grunzen und kranke Husten im stickigen Flur. Er klopft. Eben noch das leise Hantieren mit Blechgeschirr und nun schlagartig Stille. Vorsichtige Schritte. Er überhört nichts. Die Tür öffnet sich einen Spalt, ein graubehaarter Frauenkopf erscheint. Mit einem gewaltigen Tritt gegen die Tür verschafft er sich Einlass. Die Frau stürzt quiekend zu Boden. Auf dem Flur lässt der plötzliche lärm die Köpfe nervös hin- und herzucken. Wie eine aufgeschreckte Viehherde schauen sie sich an, dann kehrt wieder Ruhe ein. Behutsam schließt er die Tür, in dieser Situation eine arrogante und spöttische Geste. Die Frau starrt ihn mit offenem Mund an, sie sitzt immer noch vor ihm auf dem Boden. Sie fürchtet sich. Er ist der Herr der Lage. Er ist ein CC 24. Alles unter Kontrolle. Seinem geübten Blick entgeht nichts. Thermofeld ergibt: Im Nachbarzimmer ist noch jemand, wahrscheinlich ein Kind, mehr nicht.
„Wo ist Richard Poindexter?“ „Ich weiß es nicht.“
Sein spitzer Stiefel bohrt sich in ihren Magen. Schreien. Dann nur noch Wimmern.
„Ehrlich nicht. Ich wohne noch nicht lange hier.“
Der nächste Fußtritt landet im Unterleib. Aus den Augenwinkeln sieht er einen Jungen. Er steht in der Tür zum Nachbarzimmer.
Sie weint. „Wenn ich es Ihnen doch sage, Mister. Ich kenne den Mann nicht. Ich würde es Ihnen doch sagen, wenn ich ihn kennen würde.“
„Ich will 11814,35 Dollar. Jetzt.“
„Großer Gott, ich hab kein Geld Mister. Wenn ich es Ihnen doch sage!“
Zum ersten Mal schlägt er ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Der Junge schluchzt leise. Die Frau kreischt und beginnt, in die Küche zu kriechen.
„Hören Sie auf, bitte! Ich habe noch fünf Dollar. Ich gebe Sie Ihnen, hören Sie. Das ist alles, was ich habe. Bitte! Bitte!!“ Sie zieht sich am Küchentisch hoch und sucht in ihrer Handtasche nach dem Schein. Langsam geht er auf sie zu. Sie keucht vor Anstrengung. Sie riecht nicht gut. Sie riecht nach Angst. Er packt sie am Kragen.
„Das wird nicht reichen. Bleiben immer noch 11809,35 Dollar.“
Er zerrt sie zum Fenster.
„Bitte, nein, bitte!“
Sie schreit, sie fleht.
„Also, was ist?“
„Gütiger Himmel, ich habe das Geld nicht. Bitte, verschonen Sie mich! Oh bittebitte!!“
Mit einer ungeahnten Wucht schleudert er sie durch die Fensterscheibe. Ihr spitzer Schrei bohrt sich in die Tiefe. Irgendwo zwischen den Mülltonnen schlägt sie auf. Ein leises Scheppern durchbricht die Stille der Nacht.
„Und nun zu dir, Bübchen.“
„Okay, Mann, okay, Mann! Du kriegst die Kohle. Wusste ja nicht, dass ihr jetzt so harte Methoden habt.“
Er schlurft hinüber zur Kommode. „Bisher habe ich noch jeden Gläubiger rumgekriegt, Mann.“
Aus einer Schublade nimmt er einen Umschlag. Die untere Gesichtspartie des CC 24 formt sich zu einem zufriedenen Lächeln. Irgendwo spielt eine Mundharmonika.

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