Freitag, 16. Oktober 2015

Wie das berühmte Sprichwort in die Welt kam

„Draußen heulten die Sirenen. Schüsse peitschten durch die Nacht. In Oakdale war die Hölle los.“ (Lionel White: Die schwarzen und die weißen Ratten)
Die Finsternis war beklemmend. Als wäre er blind geboren worden. Er konnte sich gar nicht mehr an das Licht erinnern. Er war ganz allein und doch war der Wald voller geheimnisvoller Geräusche. Man hätte eine asthmatische Feldmaus auf hundert Schritte hören können. Aber er war erfahren, er kannte den Weg, und er kannte das Geschäft. Es musste sein. So waren die Regeln. Und die gespannte Aufmerksamkeit gehörte dazu. Ohne das Adrenalin würde er eines Tages einen Fehler machen.
Er trat aus dem Wald auf das freie Feld. Man konnte den Himmel ahnen, ein schwacher Schein, eine Andeutung von Licht. Vor ihm lag das alte Haus. Er kannte es, bei Tag hatte er es oft betreten und hätte sich mit geschlossenen Augen in seinen Räumen bewegen können. Jetzt hob sich seine Silhouette schwach vor dem Hintergrund ab. Nichts war zu erkennen, keine Fenster oder Türen. Es wirkte größer als bei Tageslicht. Vorsichtig ging er um das Haus. Nichts zu sehen, nichts zu hören.
Er öffnete die Tür. Sie war nicht abgeschlossen. Das Haus stand schon seit vielen Jahren leer. Er ging am Rand des Flurs, wo die Dielen nicht knarrten, in Richtung Wohnzimmer. In einem Geheimfach unter der Fensterbank würde es liegen. Wie immer. Ein Kilogramm unverschnittenes Kokain. So war es abgemacht. Nur noch wenige Schritte. Dann fühlte er es. Er löste die Klebestreifen und steckte das Paket in seine Manteltasche.
Plötzlich blickte er in den Strahl einer Taschenlampe.
Er hörte ein feines Lachen. Der junge Fuchs. Die neue Konkurrenz.
Er konnte nichts sehen, aber er hörte ein Klicken. Eine Pistole wurde entsichert.
„Gute Nacht“, sagte der Fuchs.
Er hechtete zur Seite, bevor die Kugel ihn treffen konnte.
Während er sich abrollte, zog er ein Messer und warf es mit tödlicher Präzision.
Der junge Fuchs griff sich an den Hals und röchelte. Die Pistole und die Taschenlampe fielen ihm aus der Hand.
Völlige Finsternis.
„Gute Nacht“, sagte der alte Hase und ging.
Quelle: „Ein toter Mann steht im Regen – 111 Very Short Stories“ von Andy Bonetti.
The B-52’s – Topaz. https://www.youtube.com/watch?v=xjyJ7pSUnYU

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