Mittwoch, 30. Dezember 2015

Berliner Asche, Kapitel 6, Szene 4

Kommissar Leber war gerade aus dem Krankenhaus zurückgekommen. Eine merkwürdige Sache. Zwei Österreicher, einer mit einer russischen Kugel im Bein, einer mit ausgekugelter Schulter. Beide mit Schmauchspuren an der Kleidung. Zwei Schusswaffen auf dem Dach eines Hauses, das an einen Russenpuff grenzte. Zwei Paar feinste Lederhandschuhe im Treppenhaus, achtlos weggeworfen. Die beiden Männer waren mehr als verdächtig, die Sache stank zum Himmel. Aber immer noch besser als der tote vietnamesische Zigarettenhändler, mit dem sich Laschka gerade an seinem Schreibtisch beschäftigte. Berichte schreiben war nicht Lebers Fall.
In Sachen Altmann und Brandserie gab es nichts Neues. In der Nacht hatten einige Fahrzeuge in Niederschöneweide und in Charlottenburg gebrannt. Es wurden aber keine Festnahmen gemeldet. Die Presse tobte und forderte ungeduldig Ergebnisse, während die Brandstreifen der Berliner Polizei und der Bundespolizei nur zwei dusselige österreichische Ganoven angeschleppt hatte. Vermutlich irgendeine Fehde mit den Russen. Aber der Druck lastete jetzt auf Sonleitner vom LKA 5. Lebers Ärger über die hochnäsigen Kollegen vom Staatsschutz war längst der Erleichterung gewichen. Die hatten gestern Nachmittag etliche linke Demonstranten zu verhören und im Augenblick kümmerten sie sich vermutlich um zwei Neonazis, die sie gestern mit Hilfe eines V-Manns im Prenzlauer Berg hochgenommen hatten. Dazu hatten sie sicher sämtliche Anwohner befragt, die in der Nähe des ausgebrannten Porsche wohnten. Und trotzdem hatten sie noch keine heiße Spur, sonst wäre über den Flurfunk schon irgendetwas durchgesickert. Bei ihren spärlichen Erfolgen waren die Jungs doch immer sehr redselig.
Egal, dachte Leber. Morgen und übermorgen habe ich frei, und den Rest des Tages bleibe ich schön hier im Büro. Es ist einfach zu heiß. Zu heiß, um Verbrecher zu jagen, und zu heiß, um Verbrechen zu begehen. Selbst die üblichen Messerstechereien, die es Sonnabendnacht in den U-Bahnhöfen gab, waren diesmal ausgeblieben. Wenn Dragoner, sein Chef, ihn schon hier versauern ließ, um eine Bereitschaft zur Kooperation zu dokumentieren, die Sonleitner offenbar für unnötig hielt. Kein Problem – Überstunde war Überstunde und wurde gnadenlos abgebummelt.
Dann klingelte plötzlich sein Handy in der Hosentasche. Ohne auf die Nummer zu sehen, meldete er sich mit einem knappen „Ja?“
„Mungo Jerry.“

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